Die heimischen (wilden) Orchideen des Werra-Meißner-Kreises
Beginnend mit der Arten, für die der Kreis in besonderer Verantwortung steht
Orchis pallens, Blasses Knabenkraut
Kurzbericht zur gegenwärtigen Situation von Orchis pallens (Bleiches Knabenkraut)
Diese Orchideenart hat ihre Verbreitungsschwerpunkte in Deutschland nur in Thüringen, Nordosthessen und auf der Schwäbischen Alb. Sie entstammt Südeuropa und ist erst nach der letzten Eiszeit bis zu uns vorgedrungen. Die Bestände im Werra-Meißner Kreis sind daher die nordwestlichsten in Europa.
Besiedelt werden/wurden die Gebiete: Graburg-Schieferstein-Brückenberg-Köhlerskopf, Boyneburg-Schickeberg-Stein,
Plesse-Konstein-Muhlienberg, Eichliethenberg und Rohrberg. Die meisten Bestände befinden/befanden sich in Naturschutzgebieten.
Seit 1995 werden die inselartig zerstreuten Populationen alljährlich von mir und weiteren Fachkundigen kontrolliert und gezählt. Das Bleiche Knabenkraut kann aufgrund natürlicher Einflussfaktoren alljährlich deutliche Bestandsschwankungen aufweisen. Sehr trockene Sommer, Kahlfrostwinter und Spätfröste haben negative Auswirkungen auf die Bestandszahlen. Trotz fördernder Maßnahmen durch Auflichtung und Offenhaltung der Wuchsgebiete durch Brennholzeinschlag und Schaffung von Lichtschneisen ist die Anzahl der Art seit Beginn unserer Langzeitstudie dramatisch gesunken. Wurden zu Beginn des Beobachtunszeitraums 1995 noch über 2000 blühende Exemplare kartiert, findet man in den letzten Jahren in der gesamten Region bestenfalls noch 300. Aus 22 einst meist zahlreich besetzten Populationen wurden 12 überwiegend nur noch dürftig bestückte. 10 Wuchsorte sind seit Jahren erloschen, ein einziger ist neu hinzugekommen. Zwar wurde ein Standort durch mehrfache Ausgrabungen durch Menschen zerstört, aber:
Der massive Rückgang ist eindeutig auf die Massenentwicklung der Wildschweine in den letzten 25 Jahren zurückzuführen, die alljährlich, und oft sogar mehrmals ganz gezielt die oft nur noch kleinräumigen Wuchsflächen aufsuchen, umbrechen, und die Orchideenknollen bis zum Erlöschen der Bestände befressen.
Gelingt es nicht kurzfristig die Sauen von den letzten Vorkommen des Bleichen Knabenkraut fernzuhalten, bzw. die Rotten nicht ganz erheblich und dauerhaft zu reduzieren, wird Orchis pallens sehr bald zu den in Hessen ausgestorbenen Arten gehören!!!
Ich fordere die zuständigen Behörden hiermit öffentlich auf gegen die Wildschweinplage schnellstmöglich effektiv vorzugehen.
Orchis pallens kann in Hessen nur noch durch massiven Schußwaffengebrauch oder die Schweinepest erhalten werden.
Dreizähniges Knabenkraut, Neotinea (Orchis) tridentata
Kurzbericht zu Neotinea (Orchis) tridentata, Dreizähniges Knabenkraut
Das Dreizähnige Knabenkraut hat eine ähnliche Verbreitung wie Orchis pallens. Neben der südosteuropäischen Ursprungszone bilden die deutschen Vorkommen in Südniedersachsen, Nordhessen und Thüringen einen Vorposten an der nordwestlichsten Grenze des europäischen Gesamtareals.
Sonst kommt diese Orchidee bis auf einen kleinen Vorposten in Brandenburg in Deutschland nicht weiter vor.
Vorweg: Die Vorkommen im Werra-Meißner-Kreis sind heute derart massiv, dass man das Dreizähnige Knabenkraut als die Charakterpflanze des Kreises benennen sollte. Allein um Witzenhausen herum blühen in guten Jahren mehr als 100000 Exemplare und deren Flor ist auf vielen Flächen im Mai aspektbildend. Es handelt sich um eine hessische Verantwortungsart und die Häufigkeit in Nordhessen ist von europäischer Bedeutung.
Die Hauptwuchsgebiete befinden sich in den Zechstein-Karstregionen um Witzenhausen und um Sontra, und im östlichen Meißnervorland.
Besiedelt werden überwiegend dem Sonnenlicht zugewandte Hanglagen, also Flächen die überwiegend nur durch Beweidung sinnvoll nutzbar waren und sind.
Nachdem der "Lebensraum Magerrasen" 1991 zum "Biotop des Jahres" erklärt wurde und uns die hohe Wertigkeit im Sinne der Artenvielfalt deutlich wurde, begann auch in unserer Heimat ein systematischer Einsatz um die verbliebenen Gebiete zu retten. Aus der Magerrasen-Untersuchung der Botanischen Vereinigung für Naturschutzz (BVNH) entwickelte sich verstärkt die Erkenntnis dass man etwas tun muss um die Orchideenbestände der Kalk-Magerrasen zu erhalten. Kalk-Magerrasen, auch als Kalk-Halbtrockenrasen bekannt, zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt speziell angepasster Pflanzen, einen lückigen, offenen Bewuchs mit vielen unterschiedlichen Blütenplanzen und Gräsern und gleichfalls einer hochartenreichen Kleintierfauna, insbesondere der Insekten, aus. Es gibt sehr unterschiedliche Ausbildungen. Je nach geologischem Untergrund, Feuchtigkeitshaushalt, Lage, Ausrichtung und Neigung kommen verschiedende Magerrasen-Typen vor. Das Dreizähnige Knabenkraut bevorzugt Enzian-Schillergrasrasen (Gentiano-Koelerietum) oder auch zu Trespen-Halbtrockenrasen (Mesobrometum) tendierende Assoziationen.
Nach einer Grunderfassung in den Jahren 1992/93, an der sich 38 fachkundige Personen des AHO (Arbeitsktreis Heimische Orchideen) und der BVNH beteiligten, die rund 400 potenzielle Flächen in Südniedersachsen und Nordhessen untersuchten, wurden 34 Biotope im Werra-Meißner-Kreis und im Kreis Hersfeld-Rotenburg für eine Langzeitstudie ausgewählt. Hier wird die Entwicklung der Bestände bis heute intensiv beobachtet und dokumentiert. Dabei versuchen wir mehr über die Überlebenstrategien und essentiellen Umweltfaktoren der Art bei unterschiedlichen und wechselnden Nutzungsformen der Habitate zu erfahren.
Zu Beginn unseres Monitoring befanden sich die allermeisten potenziellen Wuchsflächen in erbärmlichen Zuständen, da sie oft schon längere Zeit sich selbst überlassen waren, nachdem die früher praktizierte Schaf-und Ziegenhutung im Umfeld der Dörfer und Städte zum Erliegen kam. Verbuschungen bis hin zur Undurchdringlichkeit, Überwucherungen mit Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), Verfilzung der Altgrasmatten, Vorwaldstadien oder halbschattige Kiefer-Wacholder-Haine waren auf vielen Untersuchungsflächen anzutreffen. Nur wenige der Biotope konnten noch als einigermaßen typische Kalkmagerrasen angsprochen werden. Oft konnten nur noch kleinräumige Magerrasenstrukturen auf großen Flächen angetroffen werden. Auf vielen Flächen hatten noch wenige Orchideen überlebt. Intakte oder halbwegs intakte Flächen fanden sich aber auch, einige bereits als Naturschutzgebiete ausgewiesen, oder als Standortübungsplatz. Hier und da wurden auch noch einige Flächen mit Schafen oder Rindern beweidet, oder die Beweidung lag noch nicht lang zurück. Nachdem dann etliche der größeren Flächen wieder entbuscht, durch Freischneidermahd, oder auch mit intensiver Schaf- Koppelhaltung gründlich instand gesetzt wurden, konnte in den Folgejahren wieder mit Schafen beweidet werden. Mangels Schafherden gelang das anfangs aber nur auf einem Teil der Biotope. Viele der kleineren Biotopstrukturen, oder bereits sukzessiv zu sehr in Vorwälder entwickelte Flächen mussten aufgegeben und der natürlichen Wiederbewaldung überlassen werden. Einige Flächen versuchten wir auch durch Mahd oder sporadische Mahd und Entbuschungsaktionen ohne Beweidung zu entwickeln.
Durch die fortlaufende Kartierung der Auswahlbiotope wurde im laufe der Jahre eine Fülle von Daten zusammen getragen und aufgrund der unterschiedlichen und auch wechselnden Nutzungsformen kristallisierten sich die Ansprüche des Dreizähnigen Knabenkraut und anderer seltenen Arten eindeutig heraus.
Man könnte das Ergebnis der Langzeitstudie in einem Satz zusammen fassen: Was in vielen Jahrhunderten durch Hutebeweidung mit Schafen und Ziegen entwickelt wurde, kann man dauerhaft auch nur durch Fortführung dieser Nutzungsform erhalten.
Mahd und sporadische Entbuschung erhält zwar annähernd die Biotopstrukturen, führt aber nicht langfristig zu einer nennenswerten Steigerung der Orchideenzahlen und -diversität.
Die Beweidung mit Schafen und auch eine extensive Rinderhaltung auf den Biotopen lässt hingegen bereits nach wenigen Jahren die Anzahlen diverser Orchideenarten enorm ansteigen, manchmal derart, dass von "Explosion" gesprochen wird. Steigerungen von 300 auf 5000 wurden nach wenigen Jahren extensiver Rinderbeweidung auf einer Fläche in der Größe eines Fußballfeldes registriert.
Wird die Beweidung unterbrochen, schrumpfen umgehend auch die Orchideenbestände wieder. Einige Brachejahre haben aber keine ernsthaften Folgen, wenn anschließend die Beweidung wieder aufgenommen wird, da sich die Orchideenbestände wie schon vermerkt schnell erholen können.
Die optimale Nutzung wären ein bis zweimal im Jahresverlauf durchziehende Herden mit Schafen und einigen mitgeführten Ziegen, oder alternativ auch schonende Rinderbeweidung.
Die Hutewirtschaft mit Schaf/Ziegenherden kommt der historischen Nutzung der Kalk-Halbtrockenrasen unserer Region sehr nahe. Sie lässt sich aber nur auf einem kleinen Anteil der Biotope verwirklichen, weil heutzutage Hutehaltung aus wirtschaftlichen und personellen Erwägungen der Schäfereibetriebe nur in Ausnahmefällen möglich ist. Daher werden die meisten Flächen zur Beweidung heute eingezäunt und die Herden mehr oder weniger intensiv darauf gehalten. (Das darf aber nicht als dauerhafte Lösung angesehen werden, bestenfalls als Notlösung, siehe weiter unten.)
Da nicht genügend Schafherden zur Verfügung stehen, werden in den letzten Jahren auch einige Flächen mit reinen Ziegenherden, Pferden und Eseln beweidet. Dies betrachte ich aber als ebenfalls als reine Notlösung. Es ist mit Sicherheit besser als Nichts zu tun, aber Pferde können bei feuchtem Boden zu sehr einsinken und die nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche anstehenden Orchideenspeicherorgane zertreten. Ziegen sind zur Grundinstandsetzung verbuschter Biotope sicher die Ideallösung, da die Tiere vorrangig Zweige und Rinden fressen und damit die Flächen offen halten. Werden sie jedoch mehrere Jahre hintereinander in Koppelhaltung intensiv auf intakten Magerrasen eingesetzt, setzt eine massive unerwünschte Artenverarmung ein und auch die Orchideen verschwinden.
Warum das alles so ist, müsste durch wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere auch der Böden, erforscht und belegt werden.
Vielleicht findet sich durch diesen Bericht jemand der mit einer Master- oder Doktorarbeit weiterführt.
Der Nährstoffhaushalt der oberen Bodenschichten spielt sicher die entscheidende Rolle, das Freisetzen von Spurenelementen aus dem Kalkgestein durch das Einwirken von Kot und Urin auch, Tritt und Verbiss ebenso, und bestimmt auch die einhergehende Förderung der Aktivitäten von Bodenpilzen, usw. Aber das ist Forschungs- und Laborarbeit, die wir als Laien nicht erbringen können.
Fakt ist: Die Wiederaufnahme der Beweidung vernachlässigter Kalk-Halbtrockenrasen kann zu enormen Zuwächsen der Orchideen führen. Neben Neotinea tridentata profitieren bei uns auch enorm Ophrys insectifera und Ophrys apifera, Orchis militaris, Platanthera chlorantha, Gymnadenia conopsea, auch Himantoglossum hircinum und Aceras anthropophorum, oder beispielsweise auch der Farn Botrychium lunaria (Mondraute) um nur eine der vielen anderen seltenen Magerrasenarten zu nennen, die wieder auftauchen.
Natürlich müssen auch die klimatischen Bedingungen passen. Da viele der Graslandarten erst aus Regionen südlich der Alpen in Deutschland erst nach der letzten Eiszeit einwandern konnten und erst nachdem die Menschen die vorherrschenden Wälder gerodet hatten, (und das ist erdgeschichtlich betrachtet ja noch gar nicht so lange her), haben viele Arten ihre ursprünglichen Lebenszyclen noch beibehalten, oder passen sich unserer Klimazone erst noch an. Sie benötigen daher milde oder schneereiche Winter (wegen der isolierenden Schneedecke), ausreichend Feuchtigkeit während der Hauptentwicklungszeit ab dem Herbst bis zum Frühling und viel Licht. Starke Kahlfröste , Spätfröste (Eisheilige) trockene Winter und Frühjahrsdürren führen dazu, dass weniger, oder manchmal auch gar keine Orchideen zum Blühen kommen.
Noch ein Phänomen ist zu registrieren, das insbesondere die Orchideenfreaks zur Kenntnis nehmen sollten: Wird das Dreizähnige Knabenkraut zur Blütezeit beweidet und abgefressen, ist das nicht schädlich, wie man immer angenommen hatte, sondern förderlich. Aus Einzelpflanzen werden oft mehr- und vieltriebige Büschel. Früher fanden wir nur Einzelpflanzen, heute findet man in guten Blühjahren viele Mehr- und Vieltriebler.
Und damit das geglaubt und endlich begriffen wird, stelle ich unten gern noch ein paar Bilder prächtiger Horste ein.
Es darf aber Folgendes keinesfalls verschwiegen werden: Auch wenn etliche Orchideen mit mediterranem Lebenszyklus, also die mit ihrer Hauptentwicklungszeit im Winterhalbjahr, von der recht intensiven Beweidung in Koppelhaltung profitieren, schädigt man andere Arten, also die, die sich während der Hauptvegetationszeit aufbauen, gewaltig. Werden deren Sprosse nämlich regelmäßig abgefressen und findet keine Samenreife und -ausbreitung statt, erlöschen die Bestände nach wenigen Jahren intensiver Koppelbeweidung
Und genauso schädlich sind zweimalige Radikalbeweidungsgänge für die Insektenfauna! Viele Insekten entwickeln sich ganzjährig vom Ei über Raupen und Puppen in allen Vegetationsschichtungen. Vegetationsentnahme bedeutet auch immer den Tod unzähliger Wildbienen, Schmetterlinge, Heuschrecken, usw, ........Deshalb dürfen Biotope niemals vollflächig, intensiv genutzt werden .Ganzjährige Brachestadien sind für viele Arten unverzichtbar.
Beweidung muss also in bedarfsorientierter Hute organisiert werden, oder es müssen bei unvermeidbarer Koppelhaltung genügend Schutzzonen, also ganzjährig ungenutzte Teilbereiche (Brachezonen) in jährlich wechselnder Abfolge eingerichtet werden. Auch Mahd darf in Schutzgebieten niemals vollflächig erfolgen, sondern mosaikartig, zu unterschiedlichen Terminen, und ebenfalls mit Zonen ganzjähriger Brache.
Erklärung der letzten zwei Bilderreihen, von rechts nach links:
Vom Rehwild abgeäste Blütentriebe
Nach einer Frostnacht (Eisheilige), schon bei geringen Frostgraden erfrieren die Austriebe und knicken um
Von Wildschweinen ausgewühlte O. tridentata, so sieht es unter der Erdoberfläche aus (Rotte wurde frühmorgens auf frischer Tat ertappt)
Magerrasen-Umbruch durch Wildschweine zur Blütezeit
Die bisherigen Rekord-Büschel, 19 Blütenstände (teilweise verdeckt)
Nach den beiden vieltriebigen Stöcken: Winterrosettenblätter vom Dreizähnigen Knabenkraut
Danach bestäubende Wildbiene, danach Mondraute (Botrychium lunaria) neben Orchidee
Spiranthes spiralis, Herbst-Drehwurz
Kurzbericht zu Spiranthes spiralis, der Herbst-Drehwurz
Was hinsichtlich der Habitatansprüche zum Dreizähnigen Knabenkraut gesagt wurde, trifft besonders auch auf Spiranthes spiralis zu: Schafbeweidung ist das Non plus Ultra. Diese kleine und somit konkurrenzschwache Orchidee benötigt kurzrasige Biotope, die man nur mit langjähriger Beweidung erzielt. Keine andere heimische Orchideenart ist stärker auf Schafbeweidung ihrer Wuchsorte angewiesen. Die grünen Pflanzenteile benötigen volles Licht zur Assimilation.
Deutschlandweit ist sie stark gefährdet weil ihre Lebensbedingungen nur noch auf relativ wenigen Biotopen erfüllt werden können.
Was haben sich die Orchideeologen aufgeregt als der zuständige Schäfer ausgerechnet während der Hochblüte noch einmal pferchte und sämtlicher Bewuchs zu Schafmist verdaut auf der Fläche lag. Und das geschah dann zwei Jahre später noch mal. Katastrophe, furchtbar.
In den Folgejahren verdoppelte sich jedoch nicht nur schlagartig die Anzahl blühender Exemplare, sondern es trieben auch etliche mehrtriebige Pulks aus. Wenn also die Pflanzen mal verbissen werden, geschieht das was man aus obigen Bildern erkennen kann. Auch die Herbst-Drehwurz verträgt nicht nur abgefressen zu werden, sondern treibt in den Folgejahren um so stärker aus (wenn auch das klimatische Umfeld günstig war).
Also lasst den Schäfern freie Hand, erst durch ihr Wirken können wir uns (noch) an diesen Kleinoden unserer Flora erfreuen.
Im Werra-Meißner-Kreis ist bisher nur ein Vorkommen bekannt, im angrenzenden Kreis Hersfeld-Rotenburg zwei. Die Beschreibung betrifft eine Fläche im Kreis Hersfeld-Rotenburg einen Kilometer hinter der Kreisgrenze des WMK.
Die Anzahl blühender Pflanzen schwankt dort von Jahr zu Jahr teilweise beträchtlich, wie bei vielen anderen Mediterranarten auch. Neben klimatischen Einwirkungen spielen die Habitatbeschaffenheit, Tritt und Verbiss der Weidetiere und die Düngerverfügbarkeit und Bodenmineralisation eine entscheidende Rolle für die Blühfreudigkeit.
Kurzbericht zum Frauenschuh, Cypripedium calceolus
Es gibt ihn noch im Werra-Meißner-Kreis, nicht mehr so viele der schönsten unserer heimischen Orchideen wie vor 30 Jahren, aber immerhin könnte man, wenn man sämtliche Standorte zur Blütezeit aufsuchen würde, etwa Zwei-bis Dreihundert der großen Fliegenkesselfallen-Blüten bestaunen. In guten Jahren auch mal mehr.
Aber es werden leider nach und nach immer weniger. Nur einigen höhergelegenen Standorten an den Westflanken der Berge ginge es noch einigermaßen gut, wenn nicht gerade dort besonders skrupellose Vollpfosten alljährlich mit Spaten anrücken und ausgraben würden.
Die anderen Standorte leiden wohl schon unter dem Klimawandel, sprich zu wenig Regen/Feuchtigkeit. Als indigene (ursprüngliche/ einheimische) Art mag Frauenschuh etwas feucht-kühleres Klima und in den letzten 30 Jahren waren viele Jahre zu trocken, was man auch am Wasserstand der Fließgewässer unserer Region eindeutig ablesen konnte. Anders lässt sich der Rückgang nicht erklären, genießen doch die Bestände volle Aufmerksamkeit und Betreuung. Als einzige anerkannte Orchideenart nach der FFH-Prioritätenliste unterliegt die Art und sein Lebensraum dem Verschlechterungsverbot und Viele bemühen sich um das verbliebene Dutzend an Vorkommen.
Trotzdem kümmern einige Bestände auf niedrigem Niveau, vier sind bereits erloschen. Nahe meines Wohnorts verschwand eine Population quasi über Nacht. Bis heute völlig unerklärlich. Über 50 Pflanzen, darunter ein Stock mit 30 Trieben, Einzelpflanzen, Kleingruppen, alles weg. Einfach verschwunden und auch bis heute nicht eine Pflanze wieder erschienen, obwohl der lichte Kiefernwald immer noch optimale Bedingungen bietet und obwohl viele Jungpflanzen vorhanden waren.
Auch an einer Meißnerwestflanke sind zwei Standorte erloschen, einige Jahre nachdem man ihnen Licht verschafft hatte. Zuviel Licht? Oder ist ein viel zu hoher Rotwildbestand auch hier der entscheidende Negativfaktor?
Ein anderer, der einst stärkste Bestand der Region ging Ende der 90ger Jahre rapide zurück. Sein Lebensraum, ein alter Steinbruch wucherte immer mehr zu, nur noch einige wenige Blüten statt früher 300. Es folgte eine radikale Auflichtung, Bäume wurden entnommen Gebüsche auf den Stock gesetzt.
Die Hasel- und weißdornbüsche hätten nach zwei Jahren wieder eine schattenspendende Höhe erreichen sollen, Hasel treibt meterhoch in einem Jahr. Doch sie wurden zu Bonsai, überhaupt kein Bewuchs kam mehr hoch. Ein gehätschelter Rotwildbestand äste jeden frischen Trieb und jedes frische Grün ab und nutzte die nun freien Flächen als Tummelplatz. Vermutlich hatte das Rotwild den Bestand schon in den Vorjahren immer wieder beäst und die Orchideen waren deshalb nicht sichtbar. Von einem derart hohem Wildbestand hatten wir im Vorfeld der Auflichtungsaktion keine Kenntnis. Es dauerte einige Jahre bis man die Ursache des Rückgangs begriff und einen Zaun errichtete um die Hirsche fernzuhalten. Nach etlichen Jahren ohne Blüten haben 2018 wieder 6 Pflanzen geblüht. Dabei hat sicherlich der günstige nasse Vorwinter mitgeholfen, wir hoffen aber es geht hier wieder aufwärts, aber so trockene und heiße Vegetationsperioden wie 2018 und 2019 können alle Bemühungen zunichte machen.
Unglücklicherweise wurde ein anderer Standort auf einer Waldlichtung im Zuge von Durchforstungsarbeiten mit schweren Maschinen befahren, zwar nicht direkt über die Pflanzen, aber in unmittelbarer Nähe.
Es wird nun höchste Zeit das man nicht nur die unmittelbaren Wuchsbereiche optimiert, sondern auch das weitere Umfeld, damit sich die letzten Bestände wieder ausbreiten können. Denn früher gab es in den damals viel lichteren Bauernwäldern an und auf unseren Kalkbergen etliche Massenvorkommen, wie alter Literatur zu entnehmen ist.
Ein entscheidender Faktor für die Erhaltung und vor allem für das Wiedererstarken der Bestände ist die Befruchtungsrate der Blüten. Da nur kleine Wildbienen (Sandbienen, Andrena spec.) die Bestäubung vornehmen können, müssen die Standorte des Frauenschuh licht sein, also warm genug für Bienenflug, und offene Bodenstellen für die Sandbienen in näherer Umgebung müssen ebenfalls vorhanden sein. Den Bestäubungsvorgang an sich kann man durchaus als spektakulär bezeichnen: Die zu einem Hohlkörper (Schuh, Pantoffel) geformte Blütenlippe wirkt dabei als Kesselfalle. Die Ränder und Wände sind derart glatt dass landende Insekten in den Kessel rutschen/fallen. Es gibt nur einen Weg für Insekten einer bestimmten Größe aus der Falle herauszukommen. Lichtfenster weisen den kleinen Wildbienen den Weg zu Stufen, vorbei an Narbe und den zu Bündeln verklebten Pollen (Pollinien). Beim Durchzwängen in die Freiheit werden den Bienen die Pollenpakete am Rücken angeklebt. Und erst wenn die Biene ein zweites mal in die Falle einer anderen Blüte tappt und wieder den Weg vorbei an der Narbe findet streift sie die Pollen dort ab und es kann nun fruchtbarer Samen gebildet werden. Damit dieser Samen neue Pflanzen hervor bringen kann sind wiederum etliche Bedingungen essenziell, von offenen Bodenstellen über einschlämmenden Regen und ausreichend Feuchtigkeit zur richtigen Zeit, dem Vorhandensein bestimmter Bodenpilze bis zum passenden Lichtregime potenzieller Wuchsstellen.
Es wird viel für den Erhalt der Art getan, aber es muss noch mehr getan werden. Dabei ist ein dauerhafter Erfolg keineswegs sicher. Zuviel hat sich in den Wäldern gegenüber der Zeit verändert als Frauenschuh in Massen vorkam und auf Märkten feilgeboten wurde. Und auch die Folgen der klimatischen Veränderungen sind vorerst unabsehbar.
Der sogenannte "Goldschuh" (Bild in der Mitte der obersten Reihe) ist erstes Warnsignal für zu wenig Licht, also Standort auflichten!
Das zweite Bild von oben der mittleren Reihe zeigt den einst besten Bestand weit und breit 1995, nachdem der stärkste Horst bereits ausgegraben wurde (kahle Stelle in der Bildmitte)
Einige Anmerkungen zur Bocks-Riemenzunge, Himantoglossum hircinum
Zwei Standorte mit mehreren Pflanzen sind bekannt und etliche Einzelpflanzen tauchen immer mal wieder verstreut über die Kalkregionen des Kreises auf, verschwinden aber meist bald wieder.
Der älteste Bestand wurde 1990 gefunden und existiert bis heute. Damals blühten Mitte/Ende Juni 24 Exemplare. Seit Anbeginn unterliegt der Halbtrockenrasen einer Schafbeweidung, früher sporadisch, die letzten 10 Jahre erfolgte regelmäßige Hute. Auflichtungen der kräftig wuchernden Wacholderbüsche auf diesem Zechstein-Kalkmagerrasen fanden zudem mehrfach statt.
Oft tauchen auf dem Biotop immer wieder Pflanzen an unterschiedlichen Stellen auf, verschwinden aber zum Teil nach wenigen Jahren dort wieder. Der Gesamtbestand blühfähiger Exemplare hat sich aber stetig gesteigert und liegt nun in guten Jahren um 50. Meist sind es aber deutlich weniger und es gibt Jahre da findet man statt blühender Orchideen nur vertrocknete Rosettenblätter oder steckengebliebene Austriebe. Die Anzahl der Winterrosetten liegt über 200, das beweist dass es so viele Pflanzen gibt und auch nur durch Zählung der Blattrosetten im Winterhalbjahr ergibt sich ein Überblick der Bestandsgröße.
Nachtrag 2021: Es haben 161 Riemenzungen hier geblüht. Sechs weitere an vier anderen Stellen.
Aber die stark schwankende Anzahl zur Blüte kommender Exemplare kennen wir ja von allen aus dem Süden eingewanderten oder einwandernden Orchideenarten an den Rändern ihres Areals. Sie brauchen milde Winter, ausreichende Feuchtigkeit insbesondere vom Herbst bis zum Frühsommer, also während der Hauptentwicklungszeit im Winterhalbjahr und im Frühling, und auch zusagende Nährstoffversorgungen der Böden. Blattbeschädigungen während der Hauptentwicklungszeit führen zu Verlusten, ebenso wirken Beweidungsgänge vor der Samenreife negativ.
Der zweite Bestand, seit den 90ger Jahren fast regelmäßig in Koppelhaltung schafbeweidet, wies 2008, im Fundjahr, 22 blühende kräftige Riemenzungen auf. Eine Zahl die bis heute nie mehr erreicht wurde.
Nachdem der Schäfer von dem Vorkommen Kenntnis erhielt, schonte er in den Folgejahren den Wuchsbereich. Er umzäunte die Fläche, damit die Schafherde "keinen Schaden" anrichten könne. Die Anzahl blühender Riemenzungen verringerte sich von Jahr zu Jahr. Zwar waren anfangs noch mehrere Jahre bis zu 30 Winterblattrosetten zu finden, aber auch die wurden zunehmend schwächer und immer mehr erschienen nicht mehr. Zu allem Übel wurde etwa die Hälfte des Standortes im Vorwinter (2017)von Wildschweinen völlig umgebrochen und etliche Knollen gefressen. Vor einigen Tagen, im Januar 2019, konnte ich nur noch acht Rosetten finden, davon höchstens zwei so kräftig entwickelt, dass man im kommenden Frühsommer einen Blütenstand erwarten darf.
Da der Magerrasen vor der Jahrtausendwende im Rahmen unseres N. tridentata-Monitoring mehrfach untersucht wurde, ist anzunehmen dass sich der Bestand erst danach aufgebaut hat. Und zwar unter den Bedingungen der mehr oder weniger regelmäßigen Schafbeweidung in Koppelhaltung. Nach Aufgabe der Beweidung verringerte er sich signifikant.
Ab sofort wird der Wuchsbereich wieder normal mitbeweidet, mal sehen was geschieht.
Noch eine Beobachtung zum stark intermittierenden Erscheinen der aus dem europäischen Süden eingewanderten Orchideen:
In sehr feuchten Wintern, oder wenn nasse Phasen mit Kahlfrösten (Frost ohne Schneelage) öfter abwechseln, sterben viele Pflanzen ab. Die frischen und zarten Winterblätter werden vom Frost oder auch durch Tiertritt geschädigt und nachfolgender Pilzbefall führt zur Fäulnis. Diese dringt oft bis zu den Speicherorganen vor und lässt die Pflanze absterben.
Etliche der neu aufgetauchten Einwanderer sind auf diese Weise nach wenigen Jahren der Beobachtung wieder verschwunden. Diese Schädigung durch Schimmelpilzbefall wegen häufigem Frost-Tauwechsel oder wegen Blattbeschädigungen kann z. B. auch bei Neotinea tridentata und den Ophrys-Arten vorkommen.
Nachtrag Frühjahr 2021: In Folge der Dürrejahre wurde der letztgenannte Magerrasen aus Futtermangelnot auch im Spätherbst und nochmals im sehr zeitigen Frühjahr beweidet. Die letzten Rosetten wurden dabei verbissen, nun droht der Totalverlust dieses Standorts.
Am Rand einer Mähwiese im Netratal wurde im März 2020 eine neue sehr kräftige Rosette gefunden, die aber zur Blütezeit leider vertrocknet war. Trotzdem trieb sie im Herbst wieder sehr kräftig aus, sogar mit Kindel.
Etwas zu Aceras anthropophorum, Ohnsporn
Wenn mehrere Jahre hintereinander alle Lebensansprüche der Art erfüllt wurden, kommt es zu reicher Blüte.
Die Pflege des südexponierten Steilhanges ist durch Schafbeweidung und sporadische Entbuschung schon lange erfolgt. Hier hat auch wieder einmal das Wetter gepasst.
Bisher ist das Vorkommen von Aceras anthropophorum im Werra-Meißner-Kreis auf einen einzigen Standort beschränkt. Der südexponierte Zechstein-Halbtrockenrasen wird regelmäßig einmal jährlich durch eine Schafherde in Hutehaltung genutzt. Immer wieder tauchen neue Pflanzen an anderen Stellen dieses Biotops auf, eine Ausbreitung auf andere Flächen konnte leider noch nicht festgestellt werden.
Mit günstigen Winden sollten sich weitere Populationen durch Samenflug oder auch durch Samenverbreitung durch die Weidetiere aufbauen können.
Die Voraussetzungen hinsichtlich geeigneter Biotope sind in der Region in vielfältiger Weise bestmöglich erfüllt worden.
Es wäre in diesem Fall sinnvoll nach einer reichen Blüte einmal gezielt zur Zeit der Samenreife zu beweiden. Unmittelbar danach sollte die Herde auf einem anderen, ähnlich strukturierten Biotop eingesetzt werden, um die an den Beinen der Weidetiere anhaftenden und nur kurze Zeit keimfähigen Samen dort zu verbreiten.
(Oder kommt bei diesem Vorschlag das Wunschdenken des Orchideenfreaks zu sehr zur Geltung?)
Zum Holunder-Knabenkraut, Dactylorhiza sambucina
Auch von dieser Orchidee gibt es nur einen Standort im Kreis.
Als montane Pflanze der Berg- und Gebirgsmatten wächst sie deshalb bei uns auf dem Hohen Meißner, wo im Jahresverlauf der meiste Niederschlag der gesamten Region fällt.
Das Vorkommen ist Insidern seit etwa 40 Jahren bekannt und wurde aufgrund der Einmaligkeit für Hessen lange Zeit geheim gehalten.
Früher sollen wohl Gerüchten zufolge etwa Hundert Pflanzen geblüht haben, davon etwa je zur Hälfte rote und gelbe und es wurde auch gemunkelt ob das Vorkommen eventuell nicht natürlichen Ursprungs wäre, sondern von Liebhabern eingebracht. Wie dem auch sei, sie ist heute etabliert.
Es ist eine besondere Eigenart dieser Orchidee dass sie in zwei Farben an gleicher Stelle blühen kann. Es kann sein dass die Anzahl rotblühender Pflanzen geringer ist wenn die Standortansprüche nicht gänzlich erfüllt werden.
Rotblühende Exemplare sind heute sehr rar.
In guten Jahren können maximal 30 Pflanzen blühen. Meist sind es jedoch weniger, manchmal fällt die Blüte auch ganz aus insbesondere nach schneearmen Wintern mit Kahlfrostperioden.
Der Standort wird alljährlich einschürig mit Großmaschinen gemäht, man sollte mal Beweidung ausprobieren, Schafmist oder auch Rinderdung kann wahre Wunder bewirken. Die Vorkommen des Alpenraums wachsen auf Almen.
Cephalanthera longifolia, Schwertblättriges Waldvögelein
Cephalanthera longifolia bevorzugt bei uns lichte Waldformen mit etwas tiefgründigeren Böden. Dabei gedeiht sie sowohl an hellen bis halbschattigen Stellen im Waldesinneren und auf oder an Lichtungen, als auch am Waldes- oder Waldwegesrand.
Sicher kommt sie häufiger vor als die vier Standorte die mir in oder an Kalkbuchenwäldern bekannt sind.
Da sich die Blütezeit im Mai mit der von Neotinea tridentata überschneidet, blieb für andere Arten oft zu wenig Zeit der Nachsuche. Man kann halt nicht überall gleichzeitig sein.
Epipactis leptochila, Spitzlippige oder Schmallippige Stendelwurz
und etwas über die Gattung Epipactis, sowie Vorstellung der anderen Epipactis-Arten des Werra-Meißner-Kreises
Der Einfachheit halber stelle ich hier gleich alle im Kreis vorkommenden Vertreter der Gattung Epipactis vor, auch wenn einige nicht bei den seltenen oder stark bedrohten Arten einzustufen sind.
Epipactis atrorubens, die Rotbraune Stendelwurz wächst gern auf sonnigen bis halbschattigen Geröllhalden oder auf kargen Kalkböschungen. Auch in lückigen Kalkmagerrasen, lichten Gebüschrainen oder starkt durchlichteten Laubwaldformationen kann man diese Orchidee mit den charakteristischen Blüten finden. Die braunrotvioletten Infloreszenzen sind auffällig und die Färbung ist im gesamten Pflanzenreich sehr selten zu sehen. Bestäuber sind bei uns meist Hummeln. Durchwandert man unsere Kalkregionen sollte jedermann diese Orchideenart im Juni sehen können.
Epipactis leptochila, die Schmallippige Stendelwurz ist eine Waldorchidee. Sie verträgt durchaus auch stärkeren Lichtmangel in Kalkbuchenwäldern, steht also gern in lichtabgewandten Hangwäldern, oder im schattigen Waldesinneren. Die auch als die "Spitzlippige" bezeichnete Orchidee mit grünlichen Blüten wurde bisher im Werra-Meißner Kreis nur an wenigen Stellen gefunden. Aber längst sind nicht alle Wälder untersucht. Es ist also durchaus möglich weitere Vorkommen zu entdecken. Die spitze vorgestreckte Blütenlippe gab den deutschen Namen. Vermutlich weil nur selten Insekten in ihren relativ lichtarmen Lebensraum vordringen ist diese Epipactis autogam, bestäubt sich also selbst, sofern nicht doch eine Hummel oder Wespe von dem Nektar in der kelchartig ausgebildeten Hinterlippe angelockt wurde.
Viel häufiger findet man bei uns in den Wäldern der Muschelkalkregionen die neuerdings wieder zur Unterart herabgestufte Schwesternart "neglecta", bei der die Blütenlippe nach hinten umgeschlagen ist. Deren offizieller Name lautet nun folglich: Epipactis leptochila subsp. neglecta Kümpel, Schmallippige Stendelwurz, Übersehene Unterart.
In guten Jahren für die Art kann man sie eigentlich in unseren Kalkbuchenwäldern nicht übersehen, da sie in einigen Waldstücken zu Hunderten steht. "Gute Jahre" sind feuchte Jahre mit überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen ohne längere Trockenperioden auch in den Jahren davor. Die werden allerdings in den letzten Jahrzehnten immer seltener, was der erfahrene Naturbeobachter auch an den niedrigen Wasserständen von Gräben und Bächen abzulesen vermag.
Nebenbeibemerkung:
Da viele unserer Waldepipacten sehr nahe miteinander verwandt sind und noch keine ausgeprägten Befruchtungsbeschränkungen ausgebildet haben, gibt es durch Kreuzungen eine Vielzahl sehr ähnlich aussehender Typen/Rassen/Variationen in Deutschland und Europa. Etliche dieser von der Nominatsippe leicht abweichenden Formen wurden in einer nach Profilierung heischenden "Orchideenexpertenscene" mittels pseudowissenschaftlicher Expertisen in den Artrang erhoben.
Da sich reine Arten nur untereinander, also innerhalb der eigenen Art, fortpflanzen können, handelt es sich bei vielen der von der Norm abweichenden "Neufunde" um natürliche morphologische Schwankungen innerhalb eines breiten Artspektrums. Spielereien der Natur kommen aus vielerlei Gründen bei fast allen Pflanzen- und Tierarten vor. Schon leicht unterschiedliche Belichtungen, andere Standortbedingungen oder Bodenverhältnisse, Wasser-, oder Nährstoffversorgungen lassen abweichende Varietäten einer Art entstehen. Hybridisierungen und Mutationen spielen ebenfalls mit. Bei vielen Abweichlern unsinniger Normen menschlicher Ordnungsliebe innerhalb der Gattung handelt es sich nicht um Arten, sonder um Variationen einer Art, Mutationen aufgrund diverser genetischer Beeinflussung , oder einfach auch um Kreuzungen ähnlicher Rassen.
Die Namensgebungsgeilheit der "Oberorchideologen" ist meines Erachtens Wichtigtuerei und hat mit ernsthafter Botanik nicht viel zu tun. Wenn der Erstbeschreiber einer neuen Art seinen Namen an den Artnamen der Neubeschreibung anfügen darf und somit quasi zu unsterblichem Ruhm gelangt wird der Run verständlich.
Zur Verdeutlichung: Eskimo und Pygmäe sind beide Homo sapiens, also Mensch. Obwohl sie andere Lebensräume besetzen und die Nachkommen im Erscheinungsbild anders aussehen als die Eltern, aber in Folgegenerationen fruchtbar sind, gehören sie zwar unterschiedlichen Rassen, aber ein und derselben Art an.
Pferd und Esel zeugen zwar auch Nachkommen, die sind aber unfruchtbar, sind also zwei getrennte Arten und genetisch auch deutlich unterscheidbar.
Verfeinerte genetische Analysen werden den derzeitigen "Orchideendschungel" demnächst sicher enorm reformieren.
Die von mir hier verwendeten Benennungen sind bisher gebräuchlich, aber vielleicht auch falsch. Es wird Zeit. dass jemand die Gattung nach streng wissenschaftlicher Systematik durchforstet, ohne den Artbegriff weiter aufzuweichen. Die derzeitigen Zustände sind unhaltbar.
Da hier alles im Fluss ist, sowohl biologisch als auch taxonomisch kann ich mich auch irren.
Sicher gibt es einige feste Arten, aber ein großer Teil der heute als Art eingestuften Epipacten und vieler anderen Orchideengattungen sind bestenfalls Unterarten, vielfach aber "nur" Variationen, Spielereien der Natur, aufgrund Vermischung durch Fertilität (Fortpflanzungsfähigkeit innerhalb der Art).
Gleiches trifft wie angesprochen für viele andere Gattungen zu. Bezüglich der heimischen Orchideen insbesondere für die Gattungen Ophrys, Dactylorhiza, oder die Gebirgsgattung Nigritella.
Bei Ophrys ist die Diskussion schon in Gang gekommen und aus 400 in letzter Zeit "entdeckter" "Arten" werden wohl weniger als 10 echte Arten und viele Variationen.
In der Orchideen-Fachliteratur geht es diesbezüglich heiß her.
Nachfolgend die weiteren "Spezies" der Gattung Epipactis, die man im Werra-Meißner-Kreis finden kann:
Epipactis muelleri hat einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt an den Waldrändern und in Lichtschneisen der Waldwege im Graburg-Schieferstein-Komplex. Kennzeichnend sind neben den hängenden gelblichen Blüten rinnige und randgewellte lanzettliche Laubblätter und ein sich leicht hin und her krümmender Stängel.
Müllers Stendelwurz gilt als "obligat autogam", also immer selbstbefruchtend. Gleichwohl konnte ich mehrmals als Bestäuber infrage kommende Insekten an den Blütenständen beobachten. Für Fremdbestäubung spricht eigentlich auch die sehr geringe Variabilität dieser Epipactis.
Epipactis helleborine findet man oft in Gebüschen, vor Waldsäumen und an Wegrändern. Die Pflanzen können bei guter Nährstoff- und Feuchteversorgung bis einen Meter hoch werden und tragen bei uns oft sehr unterschiedlich gefärbte Blüten von grünlich bis violett. Die unteren großen Stängelblätter sind rundlich- bis länglichoval.
Die Breitblättrige Epipactis ist eine der wenigen Orchideen die fast in allen Landesteilen Deutschlands mehr oder weniger häufig vorkommt. Sie wächst auf vielen Bodentypen, bietet Nektar an und wird eifrig vorwiegend von Wespen besucht und bestäubt. Da die Wespen auch andere zur gleichen Zeit blühende Arten besuchen, kann es zu Hybridbildung und Formenreichtum kommen. Epipacten sind Sommerblüher, vielfach überschneiden sich die Blühperioden mehrerer "Arten".
Da die Epipacten relativ spät austreiben, bilden sie im Sommer oft das einzige frische Grün des Waldes. Sie werden deshalb sehr gern vom Wild geerntet. Man darf sich also nicht wundern, wenn man wunderbare Büschel austreibend gefunden hat, die dann wenn man zur Blütezeit noch einmal vorbei kommt, bis auf bodennahe Stängelreste verschwunden sind.
Epipactis microphylla
Die Kleinblättrige Stendelwurz ist sicher die unauffälligste unserer Epipacten. Nur maximal 50 cm hoch, meist viel kleiner, und wegen der wenigen kleinen lanzettlichen Blättchen schmächtig von Gestalt, ist sie im diffusen Licht halbschattiger bis fast schattiger Wälder kaum zu entdecken. Eine mikroskopisch- graufilzige Behaarung lässt sie aber unverwechselbar erscheinen.
Wo sie örtlich meist sehr begrenzt vorkommt sind in aller Regel nur wenige Pflanzen zu finden. In guten Jahren maximal 40 meist deutlich weniger pro Wuchsgebiet/Berg. Sind mehrere Jahre hintereinander nicht feucht genug, lässt sich die Kleinblättrige Epipactis nicht blicken. Sechs relativ sichere Standorte sind mir in der näheren Umgebung meines Wohnortes bekannt, es dürften daher im gesamten Kreisgebiet deutlich mehr sein. Wer kriecht schon in unseren Steilhang-Orchideenbuchenwäldern herum und sucht nach Kleinarten?
Bei optimalen Umweltfaktoren neigt die Art durchaus zu leichter Mehrtriebigkeit.
Deutschlandweit betrachtet konzentrieren sich die Vorkommen in der Mitte der Republik, besonders in Hessen. Im norddeutschen Tiefland kommt diese Epipactis nicht vor und im Süden Deutschlands ist sie eine absolute Rarität. Die relative Unwegbarkeit und damit auch Unberührtheit unserer Steilhang-Buchenwälder kommt nicht nur dieser echten Art entgegen.
Epipactis palustris, die Sumpf-Stendelwurz bildet in einigen Kalk-Flachmooren des Kreises noch gute und dichte Bestände. Da die Sümpfe mit ergiebigen Populationen größtenteils unter Schutz gestellt sind und regelmäßig einmal jährlich gemäht werden, besteht anzahlmäßig kein Mangel an dieser stattlichen und unverwechselbaren Art. Allerdings besteht eindeutiges Defizit an potentiell geeigneten Wuchsgebieten, denn die früher zahlreichen Feucht- Lebensräume in der Region wurden zwecks Ertragssteigerung oder besserer Nutzbarkeit durch zahlreiche Meliorationsmaßnahmen in der Vergangenheit trocken gelegt. Auf den dort heute anzutreffenden Fettwiesen oder Ackerländern ist die Ausbreitung der Art völlig ausgeschlossen. Sie kann nur noch in den verbliebenen Feuchtbiotopen erhalten werden.
Zwei kleinere Vorkommen sind durch Austrocknen der Standorte im Regenschatten des Hohen Meißners erloschen, einige Initialvorkommen in einer Bergbaufolgelandschaft westlich des Berges verschwanden infolge fortschreitender Wiederbewaldung.
Der Verbreitungsschwerpunkt liegt heute eindeutig in der regenreichen Region westlich des Hohen Meißner.
Epipactis purpurata (viridiflora), die Violette Stendelwurz kann auch meterhoch wachsen und kräftige Büschel hervorbringen wenn der Feuchtegehalt des Bodens und die Nährstoffversorgung stimmen. In den letzten vier Jahrzehnten sind aber Büschelbildungen immer seltener geworden, was eindeutig mit den geringer werdenden Niederschlagsmengen unserer Region einhergeht. Heute findet man überwiegend nur noch Einzelpflanzen oder schwachwüchsige Mehrtriebler.
An den Bildern kann man den Deutschen Namen erkennen, meist sind die ganzen Pflanzen mehr oder weniger violett getönt. Die Blüten werden an warmen Tagen stark von Wespen angeflogen.
Im Zuge des Autobahnbaus wurde ein Standort bei Sontra mit mehr als 100 Pflanzen in 2016 zerstört. Lichter Fichtenwald wurde als Ausgleichsmaßname per Kahlschlag entfernt. Epipactis purpurata gedeiht in vielen Waldtypen, aber niemals in praller Sonne.
Entscheidend ist auch bei dieser Art eine gute Feuchteversorgung des Bodens. Überall wo unser poröser Muschelkalk auf dem darunter liegenden wasserstauenden Oberen Buntsandstein aufliegt befinden sich potentielle Standorte in Hecken und Wäldern, weil sich auf diesem Bodenhorizont das Wasser staut.
Einige Anmerkungen zu Herminium monorchis, der Kleinen Einknolle (Honigorchis)
Die kleine, nur ca. 10 bis 15 cm hohe Herminium wächst nur auf extrem kurzrasigen Kalk-Halbtrockenrasen in mehr absonnigen Lagen mit ausreichender Feuchtigkeitsversorgung. Konkurrenzdruck durch höherwüchsige Pflanzen wird mit Nichterscheinen quittiert. Der bei uns noch gebräuchliche deutsche Name resultiert wohl aus dem kräftigen Honigduft der Blütchen.
Mit viel Mühe wird im Werra-Meißner Kreis versucht ein Kleinvorkommen vor dem Aussterben zu bewahren.
Vor 20 Jahren waren noch zwei Teilpopulationen mit zusammen etwa 50 Pflanzen zu registrieren, heute wächst sie nur noch mit wenigen Exemplaren auf wenigen Quadratmetern einer von Natur aus kurzrasigen Stelle eines Steilhangs auf der Wetterseite, also westlich des Meißners.
Durch die Wiederaufnahme anfangs intensiverer Schafbeweidung wäre das Vorkommen wohl zu retten und die Revitalisierung der Minipopulation und des Habitats wieder einzuleiten.
Die Bilder sind im Großraum Diemeltal entstanden, hier gedeiht die Art auf regelmäßig von Schafen beweideten Flächen. Die scharfe Beweidung in Koppelhaltung findet dort auch mal zur Blütezeit oder kurz danach statt. In guten (warmfeuchten) Jahren kann man rasenartig wachsende Bestände der Honigorchis sehen.
Goodyera repens, Kriechendes Netzblatt, und hochseltene Pflanzen im Moos-Kieferwald
Wie schon eingangs im Rahmen der Negativentwicklungen erwähnt sollen nicht autochthone Waldtypen in Hessen in Buchenwald umgewandelt werden. Diesen fanden die Römer noch fast flächendeckend vor als sie bis zu uns vordrangen. Danach wurden reine Buchenwaldtypen immer weniger. Holz war von der Frühzeit bis ins späte Mittelalter wichtigster Rohstoff und für alle Lebensbereiche unverzichtbar. Ende des 19. Jahrhundert wurden die damaligen riesigen Kahlflächen, die auch durch jahrhundertelange Übernutzung durch Köhlerei, Waldbeweidung und Viehhute entstanden waren, wieder aufgeforstet, weil die kahlen "Ödländer"nicht schön anzusehen waren und nach dem Niedergang der Hutewirtschaft wieder sinnvoller genutzt werden sollten. Die oft mit Wacholder bestandenen Berghänge wurden in unserer Region vielerorts mit Kiefern bepflanzt, weil damals im Bergbau hoher Bedarf nach Kiefernholz zum Verbau der Stollen bestand. Durch die Selbstvermehrung der Kiefern wurden weitere Magerrasenflächen zu Kieferwacholderhainen umgeformt.
Unter bestimmten Standortvoraussetzungen über Kalkböden entwickelten sich viele der Flächen sukzessiv zu optimalen Standorten für seltene Pflanzenarten, die ein feuchtes Mikroklima benötigen. Vorrangig sind hier Pyrolaarten (Wintergrünarten) zu nennen und die kleine Orchidee Goodyera repens, neben vielen weiteren geschützten Arten. Einige davon stehen heute in den Roten Listen und der neuen Biodiversitäts-Artenliste ganz oben, sind also vom Aussterben bedroht.
Drei dieser Spezies bildeten vor 25 Jahren in der Ringgau-Region noch einmalige Massenbestände, die auch gutachterlich nachgewiesen wurden. Trotzdem wurde das Waldstück und einige weitere Moos-Kieferwälder und Kiefer-Wacholderhaine in "standortgerechte" Laubwälder/Mischwälder umgeforstet.
Durch die damit verbundenen Veränderungen an Lichtregime und Mikroklima starben die hochspeziell angepassten Kleinarten unweigerlich ab.
Noch gibt es einige kleinere Vorkommen von Goodyera repens (Netzblatt oder Mooswurz), Pyrola chlorantha (Grünliches Wintergrün) und Moneses uniflora (Einblütiges Wintergrün).
Wie lange noch?
Zugegebenermaßen handelt es sich bei dem Biotoptyp Mooskiefernwald "nur" um ein relativ kurzfristiges Übergangsstadium vom Magerrasen hin zum Buchenwald. Aber es ist gleichermaßen Zeugnis einer viele Jahrhunderte praktizierten Form der Landnutzung insbesondere der ärmeren Landbevölkerung. Und somit auch Kulturgut der Region. So erhaltenswert wie beispielsweise das Fachwerk der Region.
Auch die klimatischen Veränderungen mit Dürreperioden setzen dem Netzblatt und den seltenen Begleitarten sehr zu und entgegen den Arten mediterranen Ursprungs werden die borealen Elemente klimatisch ungleich stärker gefährdet.
Etwas zur Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera)
Ophrys apifera, eine Orchidee magerer Grasländer, hat von der Klimaerwärmung und unseren optimal vorbereiteten Biotopen profitiert und besetzt heute etliche Standorte in teilweise beträchtlichen Populationen.
Allerdings ist diese Orchidee, wie auch bei anderen Mediterranarten schon angesprochen, sehr abhängig von einigermaßen konstanten klimatischen Bedingungen. Die sind bei uns rar. In manchen Jahren sind daher viele Bienen-Orchideen zu sehen, in anderen keine einzige. Sie mag keine Kahlfröste und auch keine Dürrezeiten, insbesondere in den Frühjahrsmonaten, Sommerdürre dagegen ist sie aus dem Mittelmeergebiet gewohnt.
Die Hauptentwicklungszeit liegt bei den aus Südeuropa stammenden Arten in den Spätherbst-, Winter- und Vorfrühlingsmonaten. Im Herbst erscheinen Rosettenblätter aus einer unterirdischen Knolle, diese assimilieren für die Speicherorgane/Knolle der nächstjährigen Generation. Das heißt auch: Wenn bei guten Bedingungen ein Blütentrieb aus der Blattrosette aufwächst, ist auch die Knolle für nächstes Jahr bereits entwickelt. Ob daraus dann Blüten erscheinen hängt neben zusagender Witterung natürlich auch vom Habitatzustand, beispielsweise vom Nährstoffgehalt oder dem Konkurrenzdruck der Begleitvegetation, ab.
Im Dürrejahr 2018 hätte man sich die Nachsuche wieder einmal sparen können. weil Bedingungen der vorjährigen Entwicklungsperiode unzureichend waren.
Da ihr spezieller Bestäuber bei uns nicht vorkommt, (siehe dazu den Bericht zu Ophrys insectifera), bestäubt sich die Bienen-Ragwurz selbst. Die Pollenpakete werden zur Narbe abgesenkt und die Befruchtung in Eigenregie vollzogen . Dies führt zu einer außergewöhnlichen Variabilität (Mutation, Inzucht, genetische Veränderungen, Mißbildungen).
Die bei uns vorkommenden Varianten und Aberrationen kann man an den nachfolgenden Abbildungen ansehen.
Die ersten drei Fotos zeigen eine Variante die bisher nur auf einem Magerrasen des Ringgau gesichtet wurde. Sie bietet für die "Orchideen-Päpste" glaube ich noch Raum für eine "Erstbeschreibung", die meines Wissens noch nicht erfolgt ist. Wir nennen sie vorläufig "semi-flavescens", weil Herr Dr. Kretschmar, einer unserer leider schon verstorbenen hervorragenden Orchideologen, sie beiläufig einmal sogenannt hat.
Danach folgen Bilder der Nominatsippe, danach eine dreilippige Mißbildung, danach die Varianten "aurita", "jurana" und "?", sowie bicolor. Zum Schluß zwei Biotopaufnahmen und der obligatorischen Wildschweinschaden auch an dieser Art:
Einige Bilder der Variationen sind anderswo entstanden, alle Varianten kommen aber im Kreis vor.
Ophrys holoserica, Hummel-Ragwurz
Bisher erst an zwei Stellen mit jeweils wenigen Pflanzen im Werra-Meißner-Kreis aufgetaucht.
Ob sich ein Bestand aufbauen kann bleibt abzuwarten. Natürlichen Ursprungs oder nicht?
Ansalbung muß in Erwägung gezogen werden, da im Umfeld von Kassel und Göttingen viel im Gelände "herumexperimentiert" wird und einige Vorkommen dort als "von zweifelhafter Herkunft" einzuordnen sind.
Hat die Quacksalberei nun auch im Werra-Meißner-Kreis Einzug gehalten?
Bisher waren wir bis auf wenige Fälle im Raum Hessisch-Lichtenau einigermaßen von Florenverfälschungen verschont worden.
Einige von mir nahe Kassel auf frischer Tat ertappte Gesellen stellten ihr schändliches Wirken als "Bereicherung der Natur" dar. Und: "So muss man wenigstens keine weiten Reisen unternehmen um gebietsfremde Arten zu sehen". Sicher auch ein Argument. Schließlich findet man auch im benachbarten Thüringen einige Biotope auf denen sich Orchideenfreunde ausgetobt und etliche Orchideenarten aus südlichen Freundesländern der damaligen DDR eingebracht haben. Verständlich, waren den Landsleuten doch Auslandsreisen in die westlichen Kapitalismusländer verwehrt. Bis heute haben sich etliche der eingebrachten Arten erhalten, sogar vermischt und vermehrt. Auf einer Fläche wird immer noch gegärtnert und aufkommender Gebüschbewuchs mit Herbizideinsatz verhindert.
Den Oberorchideeologen sei gesagt: Bleibt in euren Privatgärten und lasst bei uns die Natur entscheiden was hingehören kann.
Natürlich hergekommen oder gegärtnert?
Neotinea (Orchis) ustulata, Brand-Kabenkraut
Auch das Brand-Knabenkraut kommt nur auf einem einzigen Biotop abseits der Regionen des Dreizähnigen Knabenkraut vor. Und zwar in einer spätblühenden Unterart (var. aestivalis).
Da Brand- und Dreizähniges Knabenkraut sehr eng mit einander verwandt sind, bastardieren beide dort wo sie in anderen Regionen gemeinsam vorkommen häufig miteinander. (Sollten die Hybriden fruchtbar sein, dürfte das Brand-Knabenkraut nach meiner Auffassung nicht als eigenständige Art klassifiziert werden, sine Hybriden nicht fähig Nachkommen zu generieren, entstammen sie zweier guter Arten.)
Die außergewöhnliche Farbfreudigkeit unserer Neotinea (Orchis) tridentata-Bestände nährt die Vermutung, dass beide frühblühenden Arten in eine Art übergegangen sind, Orchis tridentata eventuell als dominierende Form also Orchis ustulata quasi "verschluckt" hat.
Manchmal findet man im Werra-Meißner-Kreis so sehr ustulata-farbene und geformte Exemplare, dass man erst bei genauem Hinschauen erkennen kann dass man das Dreizähnige und nicht das Brand-Knabenkraut vor sich hat.
Nirgendwo in Europa habe ich buntere Neotinea tridentata gesehen als hier bei uns.
Vom Brand-Knabenkraut ist nur die spätblühende Variation in einem Kleinbestand übrig geblieben und seine Wuchsfläche wird intensiv betreut. Allerdings wird der Magerrasen nur gemäht und seit vielen Jahren ist keine Steigerung der Anzahl festzustellen. Ein paar Schafe, oder eine Schubkarre Schafmist könnten für positive Überraschung sorgen.
Ophrys insectifera, Fliegen-Ragwurz und etwas über die Gattung Ophrys
An Fliegen-Ragwurz mangelt es im Kreis nicht. Auf vielen Kalk-Magerrasen kommt Ophrys insectifera vor, auch an Waldrändern, Hecken und Gebüschen findet man welche.
Die europäischen Ragwurze sind höchst spezialisiert.
Fast jede Art hat wohl ihren eigenen Bestäuber, in der Regel Wildbienenmännchen. Diese werden nicht mit Nektar oder Pollen angelockt, sondern mit Sexualduftstoffen (Pheromone). Den Bienenmännchen werden während der Begattungsversuche die sie auf den insektenähnlichen Blüten ausüben die den Orchideen eigenen Pollenpakete (Pollinarien) angeklebt. Diese werden bei weiteren Geschlechtsakten auf anderen Blüten dann dort auf die Narbe übertragen.
Den für unsere Fliegen-Ragwurz zuständigen Bestäuber, Männchen der Grabwespe Argogorytes mystaceus, konnte ich einige Male bei seinem Treiben beobachten und auch ablichten.
Epipogium aphyllum, Blattloser Widerbart
Vor rund 30 Jahren kam diese Orchidee ohne Blattgrün im Werra-Meißner-Kreis noch vor. Damals wurde sie in dichten Jungbuchenbeständen im Raum Witzenhausen aufgespürt, aber in der Folgezeit nicht wieder gefunden. Sie lebt also bei uns in relativ dunklen und feuchten Wäldern und zeitlebens saprophytisch in Symbiose mit bestimmten Pilzen da sie kein Blattgrün zur Assimilation bildet.
In Hessen sind derzeit nur zwei kleine Vorkommen bekannt.
Auch wenn im Werra-Meißner-Kreis lange Zeit kein Existenznachweis mehr erbracht werden konnte, so darf man besonders in den regenreichen Wäldern der Meißner-Westflanke doch Vorkommen vermuten.
Sie müssten nur durch entsprechende Nachsuche zur richtigen Zeit gefunden werden. Weil jedoch die Blüte beim Widerbart im gesamten Sommerhalbjahr bis in den Herbst hinein erfolgen kann, müsste man zur rechten Zeit am rechten Ort sein.
Das macht die Sache so schwierig. Hinzu kommt die geringe Wuchshöhe und seine schwierige Erkennbarkeit im Falllaub.
Der Widerbart kann aber auch im Streumoder von Nadelwäldern wachsen, dort wäre er wesentlich leichter zu finden.
Generell ist das Auffinden dieser Orchidee ein reiner Glücksfall.
Eine solcher sei jedem Naturfreund gewünscht.
Ich bin überzeugt davon dass man in nassen Jahren erfolgreich sein kann.
Die Bilder sind nicht im Werra-Meißner-Kreis entstanden.
Anacamptis (Orchis) morio, Kleines Knabenkraut
Diese Art ist definitiv schon vor einigen Jahrzehnten bei uns ausgestorben. Die Umwandlung Ihres Lebensraums, Magerwiesen und Magerweiden, also buntblühende Grasländer, wurde ihr durch Düngereinträge zum Verhängnis.
Unsere Altvorderen berichteten noch von Massenbeständen auf vielen Wiesen und Weiden.
Als der Kunstdünger aufkam und eingesetzt wurde um mehr und öfter zu ernten, verschwand die Orchidee in unserem Landkreis restlos.
Während sie auf einigen extensiven Viehweiden in Hessen noch vorkommt und mit dem Naturmist der dort weidenden Tiere keine Probleme hat, wirkt künstlicher Volldünger tödlich. Und weil man den überall hinwerfen konnte sind das Kleine Knabenkraut und einige andere Wiesenorchideen bei uns verschwunden.
Heute verhindern die Güllemassen eine Wiederansiedlung bisher erfolgreich. Auf extensiv genutzten Grasländern kann diese Orchidee aber durchaus wieder erscheinen, denn die Samen der Orchideen sind staubfein und können vom Wind getragen große Entfernungen überwinden.
Eine weitere im Werra-Meißner-Kreis ausgestorbene Wiesenorchidee ist das Wanzen-Knabenkraut Orchis coriophora
Diese war wohl nicht so allgemein verbreitet wie das Kleine Knabenkraut, aber zumindest auf Wiesen auf und um den Hohen Meißner wurden Vorkommen in alter Literatur beschrieben. Da der höchste Berg der Region immer ein Hotspot für Botaniker war und Pflanzenkundler auch früher rar, darf man annehmen das auch andernorts Vorkommen des Wanzen-Knabenkraut im Kreis existierten.
Anacamptis pyramidalis, Pyramiden-Hundsorchis
Anacamptis pyramidalis ist auch eine der Orchideenarten die es besonders warm mag und auch auf sehr trockenen Habitaten gedeiht
In den süddeutschen Weinbaugebieten kommt sie schon sehr viel länger vor. Ausgehend von der Oberrheinebene und dem Kaiserstuhl dringt sie nach und nach weiter nach Norden vor. Im Göttinger Raum konnte sie sich schon etablieren.
Im Werra-Meißner-Kreis konnte ich der stattlichen Orchidee erst zweimal begegnen. Beide Pflanzen wuchsen auf Schafweiden eines Standortübungsplatzes, bzw. an einer Wegeböschung des Ulfetals, hielten sich aber nur wenige Jahre, eventuell weil mangels weiterer Pflanzen keine Bestäubung stattfinden konnte. Es müssen wohl erst einmal mehrere Pflanzen näher beieinander stehen, damit sich eine neue Population aufbauen kann. Dies war bisher bei uns nicht der Fall.
Aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit bis diese Orchidee in stabilen Beständen bei uns anzuschauen ist, wenn die nicht mehr zu leugnende Klimaerwärmung weiter voran schreitet. Die 20 wärmsten Jahre seit Wetteraufzeichnung in Deutschland konzentrieren sich im Zeitraum der letzten 25 Jahre. Die Alpengletscher schmelzen dahin, das Eis der Pole ebenso, Permafrostböden tauen auf, Unwetterereignisse häufen sich weltweit. Wir fördern und verbrennen Unmengen Kohlenstoffe, die im Laufe der Erdgeschichte aus der Atmosphäre neutralisiert und unterirdisch unschädlich als Öl, Gas und Kohle eingelagert wurden. Diese Reinigung der Atmosphäre hat höheres Leben auf der Erde erst möglich gemacht. Innerhalb weniger Jahrzehnte setzen wir die Giftgase wieder frei, reichern die Erdatmosphäre mit Schadstoffen an und wundern uns wenn die Natur reagiert.
Das Foto wurde in Südniedersachsen aufgenommen
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