Cephalanthera damasonium, Weißes Waldvögelein
Das Weiße Waldvögelein ist eine der häufigsten Orchideen nicht nur im WMK, sondern in ganz Deutschland. Nur im norddeutschen Tiefland macht sie sich rar. Sie ist nicht streng an basische Böden der Kalkgebiete gebunden sondern kann auch in leicht sauren Böden gedeihen. Zwar ist sie auch bei uns in den reinen Buntsandsteingegenden selten und bevorzugt die Kalkregionen, aber man kann dieser Orchidee in vielen Wäldern und Gebüschen und an Waldrändern begegnen. Dabei verträgt sie sowohl Halb- als auch Tiefschatten und dringt auch in Nadelwälder vor.
Natürlich wächst auch diese Pflanze meist einzeln, daher täuschen meine Bilder etwas, aber Büschelbildungen sind relativ häufig zu sehen, insbesondere in Niederwäldern, oder in verbuschten Magerrasen, die durch Beweidung aufgelichtet werden (Foto links).
In großen Beständen fast aller Arten findet man auch fast immer Mutationen oder Monstrositäten. In einigen unserer Populationen des Weißen Waldvögelein treten Abnormitäten gehäuft auf, scheinen sich also zu vererben , wie beispielsweise die abgebildete Mehrlippigkeit oder mehr Blütenblätter als normal. Das mag auch mit der Selbsbestäubung zusammenhängen, was aber nicht ausschließt das bestimmte bisher unbekannte Insekten eventuell nachts auch als Bestäuber fungieren.
Cephalanthera rubra, Rotes Waldvögelein
Auch nicht gerade selten in den Kalkgebieten der Werraberge und des Ringgau ist Cephalanthera rubra, das Rote Waldvögelein.
Besonders lichte südexponierte Waldränder, Kalkbuchenwälder (Orchideenbuchenwälder), Wegeböschungen und leicht schattige Magerrasensäume, oder auch lichtdurchflutete Kiefernwälder sind Lebensräume dieser Pflanze.
Wer auf sonnigen Waldrandwegen der Kalkberge, insbesondere des Ringgau-Gebietes, im Juni wandert und den Waldrand beachtet wird dieser hübschen Erscheinung heimischer Flora mit Sicherheit begegnen.
Morphologisch, also vom Erscheinungsbild her gesehen, sind die Roten Waldvögelein sehr einheitlich. Blütenform und -größe, Beblätterung und Habitus, alles "normgerecht", wenn man von der Größe der Einzelindividuen mal absieht. Die Wuchsstärke wird jedoch von diversen Faktoren beeinflusst, wie etwa: Alter der Pflanzen und ihrer Vitalität, Standort optimal oder an der Grenze des Erträglichen, Nährstoffgehalt hoch oder niedrig, Mineralisierung gut oder mangelhaft, Wasserversorgung dito, Belichtung hoch genug, zu hoch oder zu gering, usw.
Die Größe der Einzelteile einer Art kann immer enorm variieren, zur Bestimmung der Orchideenarten ist der Aufbau der Sexualorgane maßgeblich. Die sind es, die durch artspezifische Funktionen und Mechanismen die Arten trennen.
Obwohl mir in rund 40 Jahren Hobbybotanik unzählige Rote Waldvögelein zu Augen kamen, konnte ich erst drei farblich deutlich abweichende, fast weiße Blütenstände sehen und erst zwei chlorotische Exemplare, also ganze Pflanzen ohne Blattgrün, früher als "Albino" bezeichnet.
Die ausgeprägte Vorderlippe (Epichil) der Art ist ein ausgezeichneter Landeplatz für Insekten. Obwohl kein Nektar angeboten wird finden genügend Insekten die Blüten so attraktiv das in warmen Sommern etwa ein Viertel der Blüten befruchtet werden und Samen bilden. Bei sonniger stehenden Pflanzen werden oft fast alle Blüten befruchtet wenn zur Blütezeit sonnig-warmes Wetter vorherrscht und entsprechend viele Insekten unterwegs sind.
Bei den heimischen Orchideen wachsen die Fruchtknoten auf denen die Blüten sitzen nach erfolgter Bestäubung der Narbe zu Fruchtkapseln (Ovarien) heran. In diesen Ovarien reifen Tausende mikroskopisch feiner Samen. Diese werden dem Wind übergeben nachdem die Samenkapseln im Herbst ausreifen und spaltartig aufreißen. Gelangt einer dieser staubfeinen Samen an eine günstige Stelle kann er sich nur mit der Hilfe eines spezifischen Bodenpilzes zu einer neuen Pflanze entwickeln. Alle unserer heimischen Orchideen benötigen zur Ernährung des Keimlings und mindestens bis zur ersten Sprossbildung, dies meist erst nach einigen Jahren, die Nährstoffversorgung durch Pilze. Die meisten Arten leben jedoch zeitlebens mit Ihrem Pilz in Symbiose und können so auch eine gewisse Zeit unterirdisch überleben ohne einen grünen Spross auszubilden. So kann es durchaus zum Beispiel nach der Rodung von Hecken oder der Auflichtung dichter Baumbestände, oder der Beweidung verbrachter Magerrasen, zum plötzlichen Erscheinen vieler Orchideen kommen.
Dactylorhiza maculata, Gefleckte Fingerwurz
Dactylorhiza fuchsii, Fuchs' Fingerwurz
Auch Dactylorhiza fuchsii ist eine der bei uns häufigen und zerstreut vorkommenden Orchideen. Man sieht sie manchmal sogar an Straßenrändern, deren Böschungen oder auch im Straßengraben. Die regelmäßige Mahd dieser Sekundärstandorte scheint ihr nicht sehr zu schaden, da sie hier viele Jahre aushalten kann. Relativ schnell kann sie auch besiedelt sie auch Rohbodenaufschlüsse und kann dort in wenigen Jahren Massenbestände aufbauen. Sie verschwindet aber wieder wenn der sukzessiv aufkommende Gehölzaufwuchs zu sehr beschattet, oder die Begleitflora zu dicht oder zu hoch wächst..
Die Gefleckte Fingerwurz findet man nicht im dunklen Wald, nicht auf extremen Trockenbiotopen, nicht in dichten Hochstauden. Etwas feuchter und lichter sollten die Wuchsorte sein, aber die Habitatansprüche sind relativ gering, wenn man von ausreichender Belichtung und Bodenfeuchte absieht.
Blütenform, -färbung und -zeichnung sind sehr variabel, zwar am Blütenstand jeder Pflanze einheitlich, jedoch von Population zu Population, oder auch von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich. Sie wächst schlank aufrecht, kann 70 cm Höhe erreichen, dabei kann die Infloreszenz bis 18 cm lang sein und aus mehr als Hundert Einzelblüten bestehen. Die Laubblätter sind mehr oder weniger stark mit dunklen Flecken übersät, daher der Name Gefleckte Fingerwurz.
Obwohl die Art als Insektentäuschblume eingestuft wird weil sie keinen Nektar produziert, wird sie eifrig von Hummeln und anderen Insekten angeflogen und auch befruchtet. Dabei werden dem Insekt im Idealfall, wie bei vielen unserer heimischen Orchideen üblich, unzählige Pollen als Paket (Pollinium) mittels einer Klebscheibe angeheftet. So können Tausende Pollenkörnchen auf einmal zu einer anderen Pflanze übertragen und Tausende Samen durch eine Einzelblüte gebildet werden.
Nach meiner Einschätzung handelt es sich bei einer der Arten "maculata" oder "fuchsii" nur um die Unterart oder sogar nur Varietät der anderen. Die wissenschaftlichen Artfindungs- bzw. Unterscheidungsmerkmale beziehen sich hauptsächlich auf die Form der Blütenlippe und die Länge des Blütensporns. Diese sind aber fließend und der großen Variabilität der Art geschuldet. Aber ich laufe nicht mit der Schieblehre im Gelände herum und entnehme auch keine Pflanzen um sie auf Milimeterpapier zu zerlegen. Keine Pflanze, kein Tier und auch kein Mensch ist absolut gleich gebaut, jedes Lebewesen ist ein Individuum. Deshalb finde ich es unsinnig irgendwelche Blütenteile zu vermessen. Entscheidend ist allein ob fertile Nachkommen gezeugt werden können. Alles was fruchtbaren Nachwuchs hervorbringt gehört derselben Art an.
Aber vielleicht mache ich es mir auch zu einfach und die Artenerfinder haben mit der Aufspaltung in zwei Arten doch recht gehabt?
Innerhalb größerer Vorkommen tauchen in der Flora auch oft weißblütige Exemplare auf. Orchideen machen da keine Ausnahme, nur finden solche Exemplare leider regelmäßig schnell den Weg in den Privatbesitz von "Naturfreunden/innen". Obwohl mittlerweile alle über den generellen gesetzlichen Schutz aller heimischen Orchideen informiert sein sollten und ein Verbringen in den Privatgarten sowieso nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt ist, wird alles "Besondere" für manche Leute zum unwiderstehlichen Objekt der Begierde.
Sehr selten kann man Kreuzungen mit Gymnadenia conopsea (Mückenhändelwurz) finden
Dactylorhiza majalis, Breitblättrige Fingerwurz
Diese Orchidee hat einen hohen Licht- und Bodenfeuchtigkeits-Anspruch. Deshalb findet man sie nur in Feuchthabitaten oder auf feuchten bis nassen Wiesen.
Da fast alle ehemaligen Standorte im Zuge der landwirtschaftlichen Umstrukturierung in den letzten 100 Jahren trocken gelegt wurden, beschränken sich die Vorkommen heute auf letzte verbliebene Rückzugsbiotope vorwiegend innerhalb von Naturschutzgebieten.
Gottlob gibt es im Werra-Meißner Kreis, hauptsächlich in der regenreichen Meißnerregion, noch etliche Quellsümpfe und feuchte Bergwiesen, die noch beachtliche Bestände der Breitblättrigen Fingerwurz aufweisen.
Die Pflanzen werden bis 40 cm hoch, wirken etwas gedrungen, überziehen aber durch die reichen Bestände ihre Habitate mit aspektbildendem Flor, wie man es sonst in unserer Region nur von Neottinea tridentata kennt.
Wie der Namenszusatz "majalis" (Art-Epitheton) andeutet, blüht Dactylorhiza majalis schon im Mai, auf höheren Bergen natürlich etwas später als in Tallagen.
Die einschürige Mahd der Wuchsgebiete ist unabdingbar und wird auch mit Großgerät verkraftet. Werden die Habitate nicht gemäht, erstickt die Orchidee unter der Biomasse der Begleitflora innerhalb weniger Jahre wegen Lichmtangel (nahe Bebra beobachtet).
Ohne Licht keine Photosynthese und die Triebe der nächsten Generation können nicht ausgebildet werden. Auch bleibt der kurzlebige Samen auf oder in der Nekromasse hängen, bekommt keinen Bodenkontakt, und die generative Vermehrungskette reißt ab.
Trotzdem überdauert auch diese Orchidee eine gewisse Zeit unterirdisch. Werden früher besetzte, dann aber orchideenleere Brachebiotope nach einigen Jahren wieder gemäht, ist die Fingerwurz wieder da. Wie lange sie allerdings unter ungünstigen oder lebensfeindlichen Bedingungen ihrer Habitate überleben kann, weiß man nicht genau.
Der Name Fingerwurz kommt von mehreren verdickten (fingerähnlichen) fleischigen Wurzeln.
Gymnadenia conopsea, Mücken-Händelwurz
Auch keine Seltenheit ist Gymnadenia conopsea. Auf allen unserer zahlreichen Kalkmagerrasen, teilweise in beachtlichen Beständen vorkommend und als Art unverwechselbar, muss ich hier zum Erkennen nicht viele Worte verlieren. Niemand kann sie im Juni auf Kalk-Halbtrockenrasen übersehen, man muss nur wissen dass es sich bei dieser Wiesenblume auch um eine heimische Orchidee handelt. Das erschließt sich wenn man die Einzelblüten der manchmal bis zu 20 cm langen Blütenähren aus der Nähe betrachtet und die den Orchideen eigene Blütenform erkennt.
Seit es auch für Graslandextensivierung, sprich Düngerverzicht oder
-verringerung Fördergelder für Landwirte gibt, taucht die Mücken-Händelwurz auch auf einigen Magerwiesen wieder auf. Früher war Gymnadenia conopsea auf vielen Wiesen und Weiden zu Hause, erst die Aufdüngung der Grasländer hat sie dort vertrieben. Die heutigen Standorte sind
also als Rückzugsflächen zu deuten.
Zu erwähnen wäre, und das ist durchaus außergewöhnlich, dass eine Form der Mücken-Händelwurz sich an Feuchtbiotope angepasst hat und dort oft mit reinen Feuchtgebietsarten wie zum Beispiel Epipactis palustris vergesellschaftet ist und somit nasse "Füße" hat, womit ich ihre Wurzeln meine. Diese sind finger- oder handförmig, also keine Knollen wie bei den Knabenkräutern und begründen den deutschen Namen Händel(Händchen)wurz.
Das besondere daran ist allerdings die Tatsache dass die Orchideologen diese Abweichler von der Norm richtigerweise nur als Varietät "densiflora" führen und nicht (mehr) als eigenständige Art.
Listera ovata, Großes Zweiblatt
Gut getarnt und versteckt im Grün der Begleitflora ist diese unscheinbare Pflanze in Grüntönen von Laien kaum als Orchidee wahrzunehmen. Man muss dicht heran um die typischen Orchideenblüten zu erkennen.
Kennzeichnend sind zwei breit-eiförmige Blätter an der Stengelbasis, selten sind es mal drei oder gar vier.
Gedeihen kann das Große Zweiblatt auf vielerlei Böden und besiedelt ein breites Habitatspektrum. Nur offene vollsonnige Trockenbiotope in Südausrichtung, tiefschattige Wälder und zu saure Böden werden neben landwirtschaftlichen Intensivflächen und versiegelten Siedlungsbereichen gemieden. Listera ovata ist wohl in Deutschland die am weitesten verbreitete und häufigste Orchidee.
Die Blüten bieten Nektar an und als Bestäuber kommen neben kleineren Wildbienen, Wespen und Fliegen wohl auch Ameisen und Käfer infrage.
Neottia nidus-avis, Vogel-Nestwurz
Auch eine Orchidee ohne Blattgrün gibt es bei uns: Neottia nidus-avis die Vogel-Nestwurz. Der Name kommt von einem stark verzweigten Wurzelstock der im Laubmull und in der oberen Humusschicht der Wälder ein nestähnliches Geflecht bildet.
Da diese annähernd chlorophyllfreie Orchidee keine Photosynthese (Gewinnung von Kohlehydraten mit Licht und Blattgrün) wie normale Grünpflanzen betreiben kann, ist sie dauerhaft auf die Symbiose (Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen) mit Bodenpilzen angewiesen. Dazu benötigt sie auch den etwas überdimensionierten Wurzelstock in den die Pilzfäden eindringen und Nährstoffe liefern. Manchmal wird die Vogel-Nestwurz auch als Vollschmarotzer bezeichnet, der über das Myzel bestimmter Pilze andere Wirtspflanzen anzapft?
Übrigens leben viele Pflanzen in Symbiose mit Bodenpilzen da diese in der Lage sind viele Stoffe zu zersetzen und in verwertbare Nährstoffe aufzuspalten, das ist in der Natur nichts außergewöhnliches.
Alle unserer heimischen Orchideen benötigen zur Keimung die Hilfe von Pilzen. Ohne Pilz-Unterstützung wären die Orchideen-Keimlinge nicht überlebensfähig. Weil die winzigen Samen keine Nährstoffe mitbekommen brauchen die Keimlinge die Hilfe bestimmter Pilze die sie mit Nährstoffen unterstützen bis mithilfe grüner Triebe und Licht ein Eigenleben geführt werden kann (Mykorrhiza).
Die Blüten des Waldmoderbewohners bieten reichlich Nektar an sind grundsätzlich für Fremdbestäuber konstruiert. Bleiben diese aber im dunklen Wald aus, befruchten sich die Blüten im Zuge des Verwelkens selbst. (allogam und autogam = dichogam)
Orchis mascula, Männliches (Stattliches) Knabenkraut
Auch das Männliche Knabenkraut ist eine Orchidee der mageren Grasländer und der lichten Wälder und bevorzugt dabei bei uns kalkhaltige und nicht zu trockene Böden. Obwohl es einige Biotope mit Massenbeständen im Kreis in den regenreicheren Gebieten des Hohen Meißner auf Magerwiesen gibt, kann man sonst nur vom zerstreuten Vorkommen kleinerer Bestände in den Kalk- und Zechsteingebieten sprechen. Besonders in sehr lichten Wäldern und dort an etwas feuchteren Stellen steht sie manchmal mit Orchis pallens (Bleiches Knabenkraut, siehe Bericht erste Orchideenseite) zusammen. Orchis mascula erblüht etwa eine Woche später als die zuerstblühende Orchidee unserer Region, das Bleiche Knabenkraut, je nach Winterverlauf manchmal schon Ende April. Vor etwa 30 Jahren, als beide Arten im Riggau-Graburggebiet noch viel häufiger vorkamen als heute, konnte man in guten Jahren zahlreiche Hybriden finden. Die sind heute absolute Raritäten, weil beide Orchideenarten von der massiven Wildschweinplage der letzten 25 Jahre sehr stark dezimiert wurden.
Etliche Vorkommen sind restlos durch die Mägen der Sauen gewandert und nicht mehr existent.
Meist sind es Hummelköniginnen, oder nach besonders milden Wintern der erste Hummelnachwuchs, der die ersten Orchideen des Jahres bestäubt. Die ausgehungerten bzw. unerfahrenen Insekten fallen dabei immer wieder einmal auf die attraktiven Blüten herein, obwohl sie nichts verwertbares vorfinden. Sie berühren eine Klebscheibe und bekommen die Pollenpäckchen angeheftet. Dadurch sehen die Insekten wie gehörnt aus. Nach kurzer Zeit neigen sich die gestielten Pollenpakete nach vorn in eine günstige Position. Beim Besuch weiterer Blüten ist dann die Klebkraft der Blütennarben stark genug um die Pollen in Empfang zu nehmen.
Die Grundblätter des Manns-Knabenkraut können gefleckt oder ungefleckt sein. Ungefleckte können leicht mit denen des Bleichen Knabenkraut verwechselt werden, die haben nie Flecken.
Leider verträgt das Mannsknabenkraut die regelmäßige Beweidung der Magerrasen nicht. Auf allen beweideten Flächen sind die Orchis mascula-Bestände seit Wiederaufnahme der Beweidung massiv geschrumpft, teilweise auch völlig verschwunden. Man muss endlich Regelungen schaffen intakte Magerrasen nur teilweise zu nutzen, oder auch mal ein paar Jahre in Ruhe zu lassen. Das käme auch den Insekten zu Gute.
Orchis militaris, Helm-Knabenkraut
Der deutsche Name des Helm-Knabenkraut resultiert aus einer auffälligen helmartigen Ausbildung seiner Blütenblätter. Da fünf der sechs Blütenblätter (Tepalen) den dichten Helm formen hebt sich diese Orchidee von unseren anderen Arten ab, bei denen oft nur mit einer oder drei Tepalen eine Minihaube gebildet wird und die restlichen Blütenblätter (Petalen und Sepalen) in unterschiedlichsten Formen und Ausbildungen seitlich abstehen. Der Helm schützt die Sexualorgane und leitet Bestäuber zu Pollen oder Narbe.
Das sechste Blütenblatt ist bei Orchis militaris zu einer langen Lippe (Labellum) mit kleiner Mittelspitze, je zwei kürzeren und zwei längeren seitlichen linealischen Seitenlappen geformt. Während der Helm außenseitig auffallend hell gefärbt ist, bilden die rötlich bis purpurnen Streifenmuster des Innenhelms und die büschelartig aufgesetzten Papillen auf der Lippe starken Kontrast.
Aber so etwas sieht man nicht aus der Ferne, man muss ganz nah heran und dann am besten noch mit einer Lupe schauen. Vielleicht versteht man dann warum viele Mensche von Orchideenblüten fasziniert sind, bis hin zur Besessenheit. Dabei hat jede Art unserer heimischen Erdorchideen ihre eigenen Reize und bei genauem Hinschauen sind etliche viel schöner als die tropischen großblütigen Nachzuchten die man heute an jeder Ecke kaufen kann.
Im Werra-Meißner-Kreis hat das Helm-Knabenkraut nur relativ wenige (vier) Vorkommen. In normalen Jahren schwankt die Zahl blühender Triebe dort zwischen etwa 10 bis 30, beim besten Bestand etwa um 100 bis 200 in guten Jahren. Als häufig kann man das nicht bezeichnen.
Man könnte aber durch gezielte intensive Beweidung der unmittelbaren Standorte die Anzahl beträchtlich steigern: Auf einer Kalkmagerrasen-Brachfläche mit geringem Rest-Orchideenbestand, die wir um die Jahrtausendwende gepachtet hatten und renaturieren wollten, wurde durch mehrere harte Herbst- Koppelhaltungen einer Schafherde erreicht dass der Bestand vom Helmknabenkraut innerhalb weniger Jahre von 35 auf über 600 (vorletztes Bild rechte Bildspalte) und beim Dreizähnigen Knabenkraut von ca. 250 auf über 2000 anstieg. Zusätzlich erschienen noch einige Orchideenarten die vorher nicht vorkamen : Ophrys insectifera und apifera, Platanthera chlorantha, Gymnadenia conopsea. In den Jahren vor der Beweidung hatten wir die Fläche mehrmals per Freischneider und Balkenmäher gemäht ohne dass sich die Ochideenzahlen nennenswert erhöht hätten. Nachdem die Beweidung nur noch sporadisch durchgeführt werden konnte und notgedrungen wieder auf Mahd zurück gegriffen werden musste verringerten sich die Anzahlen drastisch und pendelten sich wieder im Bereich wie vor der Schafbeweidung ein. Gegenwärtig wird das Biotop von Rindern beweidet, mal sehen was passiert.
Orchis purpurea, Purpur-Knabenkraut
Kein Blütenstand gleicht dem anderen, keine unserer heimischen Orchideen ist auffälliger, massiger und vielgestaltiger in Blütenform und -farbe als das Purpur-Knabenkraut. In guten Jahren, nach feuchten Sommern und schneereichen Wintern ohne Kahl- und Spätfröste, kann man Exemplare bis 80 cm Wuchshöhe und 30 cm langen Blütenachsen finden. Auf einigen wenigen Biotopen recht zahlreich, auf dem besten bis 1000 Stück, kommt die Art auch in vielen lichten Waldrändern und auf Waldlichtungen in Einzelpflanzen, kleineren oder mittleren Beständen bis ca. 100 Exemplaren vor. Dabei sind Färbung und Zeichnung der Blüten sehr variabel und in Natur viel farbenprächtiger als meinen mäßigen Fotos zu entnehmen ist. (Diese verlieren durch das Hochladen auf diese Seite leider zusätzlich an Qualität.)
Die deutsch Bezeichnung "Knabenkraut" für die Orchis-Gruppe bezieht sich auf zwei unterirdische hodenförmige Speicherorgane/Knollen. Aus einer der Knollen treibt der diesjährige Blütentrieb, während die zweite schon für den nächstjährigen Trieb heranwächst und bereits ab dem Herbst bis kurz unter die Erdoberfläche vortreibt. Das bedeutet nun aber dass die frischen Triebe kaum geschützt den Winter überdauern müssen. Als Winter noch Winter waren, also als im November/Dezember Schnee fiel der dann oft bis März liegen blieb, waren die frischen Triebe durch die isolierende Schneedecke vor harten Frösten gut geschützt. Die Winter der letzten 40 Jahre sind aber sehr viel unbeständiger, wechselhafter und insgesamt auch milder geworden. Länger andauernde geschlossene und dicke Schneedecken haben in den niederen und mittleren Lagen absoluten Seltenheitswert. Allenfalls auf den höheren Bergen kommt es noch zu etwas längeren Schneeperioden. Heutzutage kommt es in unserer Region oft zu Kahlfrösten, die sich mit wärmeren Perioden abwechseln. Ständiger Frost- und Tauwechsel ist für die jungen Orchideenschößlinge Stress pur. Länger andauernde Kahlfrostperioden sind Sproßkiller und können bei empfindlichen Arten und auf besonders exponierten Flächen zu Totalverlusten führen. Ebenfalls gefährlich sind Spätfröste (Eisheilige), die in manchen Jahren ganze Bestände frisch erblühter Orchideen erfrieren lassen. Dabei werden aber meist nur die oberirdischen Pflanzenteile geschädigt (siehe letzte Fotos).
Genauso schlimm wie Kahlfröste wirken länger anhaltende Trockenperioden. Ohne Wasser lösen sich in den oberen Bodenschichten keine Nährstoffe und es bildet sich auch kein Humus. Auch diese Zeiten ausbleibender Regenfälle über längere Zeiträume häufen sich leider in den letzten Jahrzehnten in unserem Gebiet.
An einer einzigen mir bekannten Stelle im WMK treten Kreuzungen zwischen O. purpurea und O. militaris auf (die beiden vorletzten Bilder). Seltsam dabei ist, dass am Standort keine einzige reine Orchis militaris (mehr) zu finden ist. Die Hybriden und O. purpurea wachsen am Waldrand und vorgelagerten Gebüschen. O. militaris könnte früher auf angrenzenden Wiesen gestanden haben, ist dort aber heute nicht mehr zu sehen.
Platanthera bifolia, Zweiblättrige Waldhyazinthe
Das lateinische Ephiteton "bifolia" ergibt die deutsche Bezeichnung "Zweiblättrig". Damit allein wäre aber eine Unterscheidung zur nachfolgenden Schwesterart "chlorantha" kaum möglich, denn auch die Grünliche Waldhyazinthe hat meist zwei grundständige Laubblätter. Bei beiden Arten können es auch mal drei oder nur eines sein. Die nähere Betrachtung der Blüten ermöglicht schon bessere Differenzierungen. Das ganze Erscheinungsbild, insbesondere die Blüten und Blütenstände der P. bifolia wirken insgesamt zierlicher und schlanker. Nur wo beide Arten zusammen vorkommen können erfahrene Orchideenkenner habituelle Unterschiede erkennen. Entscheidend sind aber auch hier wieder die Sexualorgane. Die Antherenfächer mit den darin enthaltenen Pollinarien stehen bei P. bifolia eng parallel zusammen, während sie bei P. chlorantha schräg spreizend angeordnet sind.
Die langen Blütensporne beider Arten enthalten Nektar. Das hat zur Folge dass nur langrüsselige Insekten die Nahrung erreichen können. So werden die Waldhyazinthen hauptsächlich von Schmetterlingen, insbesondere von Nachtfaltern bestäubt, auch weil sie mit dem Sonnenuntergang intensiver zu duften beginnen.
Wo beide Arten gemeinsam auftreten kommt es derart zur Vermischung dass man auch hier den Artrang in Frage stelle könnte, da zu vermuten ist dass die Mischlinge fertil sind. Sicher ist eine nur die Unterart der anderen. oder beide nur Unterarten oder Variationen einer europäischen Ursprungsart.
Weiter geht`'s bei P. chlorantha
Platanthera chlorantha, Grünliche Waldhyazinthe
Die deutsche Bezeichnung "Waldhyazinthe" ist etwas irreführend. Zwar ist ein hyazinthenähnlicher Habitus zu bescheinigen, beide "Arten" kommen auch in lichten Wäldern vor, jedoch bevorzugen beide Typen extensive Mähwiesen oder auch beweidete Magerrasen, also viel offenere Biotope als man unter der Namengebung Waldhyazinthe vermuten könnte. Besonders die Bergwiesen des Hohen Meißner enthalten in guten Jahren enorme Bestände und auch auf etlichen Magerrasen findet man die Platantheren.
Wo kommt jedoch der deutsche Name her der auf einen Waldbewohner hinweist?: Zur Zeit als man begann die Pflanzenwelt systematisch zu erfassen, einzuordnen und zu benennen, waren unsere Wälder mit den heutigen nur bedingt vergleichbar, Das Holz wurde meist viel früher als Brennholz geschlagen, es gab noch keine Motorsägen, Waldarbeit war Schwerstarbeit und dünnes Holz leichter aufzuarbeiten. Schweine wurden zur Eichelmast in die Wälder hineingetrieben, Ziegen, Rinder und Pferde zur Waldweide, Jungeichen wurden zur Lohegewinnung geerntet, Birkenreisig für unzählige Backhäuser benötigt, usw. usw. Die ehemaligen Bauernwälder waren also vielfach ganz anders strukturiert, viel offener und lichter als unsere heutigen Wirtschaftswälder, die möglichst dicke und gerade Stämme liefern sollen und somit ein geschlossenes Laubdach erzeugen das nur wenig Licht durchlässt.
Viele der Graslandorchideen fanden und finden in den lichten Wäldern und auf Kahlschlägen Ersatzbiotope. Dort führten und führen sie auch noch heute aber nur ein Nischendasein. Denn auch früher wurden die Grasländer intensiv und meist mehrmals beweidet, oder verheut. Heute werden sie oft durch übermäßigen Gülleeintrag und mehrfache Mahd zu lebensfeindlichen Graswüsten ohne jeden Blühaspekt. Je mehr Wiesen und Weiden extensiv genutzt werden desto mehr der Orchideen werden sich dort einfinden deren Lebesraum sich notgedrungen in lichte Waldpartien verlagert hat.
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